Afrikanische Literatur im Spannungsfeld weißer und schwarzer Wahrnehmung und Realität. Dorothee Steinbauer liest aus dem Roman SCHANDE des Nobelpreisträgers J. M. Coetzee. Die beklemmende Post-Apartheitsgeschichte brachte dem heute in Australien lebenden südafrikanischen Künstler 1999 den zweiten Bookerprice ein – ein Einzelfall in der Geschichte der 40 Jahre alten Auszeichnung!

Beunruhigend sachlich erzählt Coetzee die Geschichte um den alternden Casanova und weißen Literaturprofessor in Kapstadt, den eine Liaison mit einer farbigen Studentin die Karriere kostet und dessen Rückzug auf die Farm seiner Tochter Lucy ihn schonungslos mit der Schwarz/Weiß-Realität konfrontiert. Bei einem Überfall wird Lucy von 3 Farbigen vergewaltigt, David selbst schwer verletzt. Lucy zieht sich vollkommen in sich zurück, der intellektuelle, stets distanzierte David, mit einer Oper über Lord Byron beschäftigt, hilft als Nebenbeschäftigung in einer Tierklinik aus und entdeckt dort sein Mitgefühl, für andere und für sich selbst. Lucy durch die Vergewaltigung schwanger, will das Kind behalten und ihren Besitz dem Nachbar überschreiben „als gute Ausgangsbasis für einen Neuanfang … von ganz unten … ohne Papiere, ohne Waffen, ohne Besitz, ohne Rechte, ohne Würde.“ Trotz allem keine Depressionsprosa, sondern ein großartiges Abbild komplexer menschlicher Sehnsüchte, ein Plädoyer für Menschlichkeit.

EINTRITT frei!